Käufer? Kriminelle? Hilfsbedürftige!
Teil 3 der LangzeitreportageDialog statt VorbehalteMeßstetten: Tausend Flüchtlinge in der Nachbarschaft
Es ist noch Winter auf der Alb. Die Landeserstaufnahmestelle (LEA) ist jetzt fünf Monate alt.
Mehr als 3.000 Asylsuchende haben insgesamt seit Oktober 2014 hier gelebt. Die meisten nur für wenige Wochen.
Meßstetten selbst hat im Kern rund 5.000 Einwohner.
Zuletzt fühlten sich Meßstetter durch Flüchtlinge gestört. Die ehrenamtlichen Helfer waren überlastet.
Jetzt bringt ein Begegnungsprogramm Flüchtlinge und Bürger einander näher. Denn es gibt Vorbehalte.
Eine Langzeitbeobachtung
von Sandra Müller und Katharina Thoms
Nominiert für den Grimme Online Award 2015.
Dieser Teil der Reportage dauert rund 15 Minuten.
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Teil 1 Teil 2 Teil 4 Teil 5
Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9
Geben und nehmenKäufer? Kriminelle? Hilfsbedürftige!
Dann bekommen die rund tausend Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmestelle ihr Taschengeld. Darauf hat jeder Asylsuchende in Deutschland Anspruch.
Schon um 4 Uhr morgens stehen die ersten an.
Bürgerinfo, die Zweite
Zeit, zu reden Die zweite Bürgerversammlung
Rund 140 Meßstetter kommen zu einer öffentlichen Aussprache in die Landeserstaufnahmestelle. Die LEA und der Zollernalbkreis haben zu der zweiten Bürgerversammlung eingeladen.
Der Grund: Die Landeserstaufnahmestelle war zuletzt überbelegt. Vor allem mit Flüchtlingen aus dem Kosovo.
Ehrenamtliche Helfer berichteten von Beleidigungen und fühlten sich überfordert. Sie fragen, ob die Armut der Kosovaren als Asylgrund reichen kann.
Jetzt dürfen sich die Meßstetter ihre Sorgen von der Seele reden.
Hinter dem Zaun
Hinter dem ZaunMeßstetter bei den Flüchtlingen
Die Aktion "Der Mensch von nebenan" startet.
An Runden Tischen und in Bürgersprechstunden soll es zukünftig um die Probleme der Meßstetter gehen. Ab Mitte April arbeitet ein Streetworker im Ort, der zwischen Meßstettern und Flüchtlingen vermitteln soll.
Alle zwei Wochen dürfen die Meßstetter einen Blick hinter den Zaun werfen und Fragen stellen.
Das Interesse ist da.
Denn Führungen durch Flüchtlingsunterkünfte gibt es sonst nirgendwo in Baden-Württemberg.
Wachsam bleiben
Wachsam bleiben
Als in Tröglitz in Sachsen-Anhalt nach wochenlangen Drohungen durch Rechtsradikale eine Asylunterkunft angezündet wird, sagt der dortige Ministerpräsident:
"Tröglitz ist überall."
"Hier nicht!" sagen viele Meßstetter.
Sie wollen wachsam bleiben.
"Gänsehaut" - Wie Fußball verbindet.
Teil 4 der LangzeitreportageLeben mit den Anderen.Meßstetten: Tausend Flüchtlinge als Nachbarn
Und die Zahl der Asylsuchenden in der Erstaufnahmestelle steigt sprunghaft an: Im Mai sind es 840. Im Juni über 1.500.
Immer mehr der Asylsuchende sind im Ort unterwegs. Ein Kennenlernen ist dennoch schwierig: Die Flüchtlinge sind nur einige Wochen da. Die wenigsten sprechen Deutsch.
Nur manchmal begegnen sich Einheimische und Asylsuchende unbefangen.
Eine Langzeitbeobachtung
von Sandra Müller und Katharina Thoms
Nominiert für den Grimme Online Award 2015.
Dieser Teil der Reportage dauert und 20 Minuten.
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"Gänsehaut"Fußball verbindet
Ehrenamtliche Helfer der LEA besuchen mit 50 Flüchtlingen ein Oberligaspiel der TSG Balingen.
Der Verein hat eingeladen.
Ein bewegender Moment.
Nicht nur für die Flüchtlinge.
Sommer. Sonne. Fremde. - Ein Dorf. Zwei Welten.
Sommer. Sonne. Fremde.Ein Ort. Zwei Welten.
In der Erstaufnahmestelle in Meßstetten sind so viele Flüchtlinge untergebracht wie noch nie: 1.505.
Und die Flüchtlinge zieht es hinaus:
Sie picknicken auf den Wiesen und grillen im Wald.
Sie machen Lagerfeuer an Feldwegen.
Sie trinken Bier auf dem Rasen vor dem Supermarkt.
Manchmal wird es laut. Immer wieder bleibt Müll liegen.
Viele Meßstetter befremdet das.
Gerüchte in Meßstetten
Geköpft und geschlachtetGerüchte in Meßstetten
Am Stammtisch.
Beim Friseur.
Im Internet.
Oft machen Gerüchte die Runde.
Geschichten von Schafen, Köpfen, Handys.
Die meisten sind falsch.
Dennoch halten sie sich oft monatelang.
Gerücht 1: Das geschlachtete Schaf.
Dieses Gerücht ist seit Monaten nicht totzukriegen. Nur die Details verändern sich.
Mal sollen die Flüchtlinge ein Schaf aus dem Streichelzoo in der Erstaufnahmestelle geklaut haben. Mal mehrere Ziegen.
Immer heißt es, die Flüchtlinge hätten die Tiere gegessen.
Wahr ist: Alle Tiere leben.
Quelle: Der Schäfer und Besitzer der Tiere.
Dennoch werden Beschäftigte und Helfer fast täglich auf die Geschichte angesprochen.
Gerücht 2: Smartphones für alle
"Alle Flüchtlinge, die hier ankommen, kriegen ein Smartphone. Geschenkt."
Es kursiert in ganz Deutschland. Auch in Meßstetten.
Das Bundesamt für Migration hat dem bereits mehrfach widersprochen:
"Asylbewerber/innen erhalten in Deutschland weder ein Begrüßungsgeld, noch ein Smartphone als Geschenk."
Was Asylsuchende und Flüchtlinge in Deutschland bekommen, regelt das Asylbewerberleistungsgesetz.
Warum Asylbewerber oft ein Smartphone haben und warum die Geräte nicht mit den teuren westlichen Handys vergleichbar sind, erklärt Der Standard aus Österreich.
Gerücht 3: Die bezahlten Diebstähle
In Wahrheit seien es viel mehr, hört man. Vor allem Asylsuchende würde klauen. Supermärkte bekämen Diebstahlsschäden aber ersetzt, wenn sie auf Anzeigen verzichten.
Meist heißt es, die Landeserstaufnahmestelle käme für die Schäden auf. Mehrere Mitarbeiter in der LEA und in den Discountern seien an den illegalen Entschädigungen beteiligt gewesen.
Beweise dafür fehlen.
Leiter Maier sagt:
Es werden keinerlei Entschädigungen gezahlt.
Der Lidl-Markt weist die Vorwürfe auf SWR-Anfrage zurück.
Gerücht 4: Der gestörte Empfang
Vereinzelt erzählen Meßstetter ihre Gerüchte dem Streetworker.
Kevin Strobel zum Beispiel beschäftigt eine Handy-Störung. An der soll die Erstaufnahmestelle schuld sein.
Gerücht 5: Die Enthauptung
Wochenlang heißt es in Meßstetten:
"In der Erstaufnahmestelle hat ein Flüchtling einen anderen Flüchtling enthauptet." Der Kopf sei auf einem benachbarten Bauernhof gefunden worden.
Die Geschichte entbehrt jeder Grundlage.
Polizist Butz und Streetworker Leukhardt werden immer wieder darauf angesprochen.
Schreyeck und die Flüchtlinge
Warten auf Anerkennung
Drinnen haben viele Flüchtlinge ganz andere Probleme.
Sie wollen ihren Asylantrag stellen. Einige warten Wochen auf das lang ersehnte Gespräch.
In Meßstetten geht das direkt in der LEA:
In einer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) - und damit bei Carina Schreyeck:
Die frühere Flüchtlingsbetreuerin arbeitet jetzt dort.
Leben mit Tausenden Flüchtlingen
Eine Langzeitreportage über zwei Jahre mit mehreren Teilen.
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Aktuelle Informationen zu Meßstetten und seinen Flüchtlingen außerdem unter
www.swr.de/messstetten